Das Wilms-Tumor-Gen (WT1) enthält die Erbinformation für ein Protein, das als Transkriptionsfaktor die Aktivität anderer Gene steuert. Es ist für die normale Entwicklung von Nieren, Keimdrüsen und weiteren Organen unerlässlich. Wenn WT1 fehlt oder nicht korrekt funktioniert, kann ein bösartiger Nierentumor bei Kindern, der Wilms Tumor, auftreten. Nach diesem Tumor ist das Gen benannt. Auch im blutbildenden System wirkt WT1 regulierend. Carol Stocking fasst die bisherigen Erkenntnisse zusammen: „Wir wissen, dass das WT1 Gen bei den meisten akuten myeloischen Leukämien hoch exprimiert wird, das heißt, es wird in großen Mengen abgelesen und scheint bei Leukämien sehr aktiv zu sein. Außerdem wissen wir, dass ca. 10 Prozent der AML-Patienten Mutationen im WT1 Gen aufweisen.“ Der klinische Verlauf einer AML ist besonders schlecht, wenn diese Mutationen mit Veränderungen in einem weiteren Gen, dem für die FLT3 Rezeptor-Tyrosinkinase, auftreten.
Wirkt WT1 im blutbildenden System als Krebsgen oder als schützendes Tumorsuppressor-Gen? Welche Funktionen üben die natürlich vorkommenden Varianten des WT1 Gens in Blutzellen aus? Welche Auswirkung hat der Funktionsverlust von WT1 auf die Entstehung oder den Verlauf einer akuten myeloischen Leukämie? Mit welchen anderen Proteinen interagiert das WT1-Protein in einer Blutzelle und welche anderen Gene werden im blutbildenden System durch WT1 reguliert? Auf diese Fragen möchten die Forscher zukünftig Antworten finden. Dafür werden geeignete Mausmodelle entwickelt. Am Leibniz-Institut für Altersforschung existieren bereits WT1 Knock-out Mäuse, also Mäuse, in denen das WT1 Gen ausgeschaltet werden kann. „Wir haben das WT1 Gen gezielt so verändert, dass es nicht nur in bestimmten Geweben sondern auch zu bestimmten Zeiten ausgeschaltet werden kann“, erläutert Christoph Englert. Am Heinrich-Pette-Institut wiederum haben Carol Stocking und ihr Team Genvektoren entwickelt, die aus manipulierten Retroviren hervorgegangen sind. Mit diesen retroviralen Vektoren lassen sich im Mausmodell Leukämien erzeugen, die denen im Menschen sehr ähnlich sind.
„Mit den Ergebnissen aus dem von der Deutschen Krebshilfe geförderten Projekt sollen zukünftig verbesserte klinische Prognosen einer akuten myeloischen Leukämie anhand des WT1 Genotyps möglich sein. Außerdem hoffen wir, neue Therapieansätze zur effektiven Behandlung von Leukämiepatienten zu finden, die auf der Funktion von WT1 oder seiner Partnerproteine beruhen. Das ist dringend notwendig, denn nach wie vor liegt die Überlebenschance erwachsener AML-Patienten nur bei 25 Prozent“, so Stocking und Englert.
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Dr. Carol Stocking, Heinrich-Pette-Institut - Leibniz-Institut für Experimentelle Virologie (HPI), Hamburg
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Prof. Dr. Christoph Englert, Leibniz-Institut für Altersforschung - Fritz-Lipmann-Institut (FLI), Jena
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