Was einen kleinen Wurm zum gefragten Modell macht - Systembiologen modellieren den kompletten Stoffwechsel des Fadenwurms Caenorhabditis elegans (FSU)

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Forscher der Friedrich-Schiller-Universität Jena und der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel haben sämtliche bislang beschriebenen Stoffwechselwege des Modellorganismus Caenorhabditis elegans zusammengetragen und präsentieren in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins "Cell Systems" ein umfassendes Stoffwechsel-Modell. "ElegCyc", so dessen Name, umfasst etwa 2.000 Stoffwechselprozesse und steht Arbeitsgruppen aus der ganzen Welt für deren Forschungsfragen zur Verfügung.

Er ist nur etwa einen Millimeter lang, mit bloßem Auge also kaum zu erkennen. Sein kurzes Dasein von gerade einmal zwei bis drei Wochen fristet er verborgen im Boden. Auf den ersten Blick haben der winzige Fadenwurm Caenorhabditis elegans und der Mensch nicht viel gemeinsam. Und doch weist ihr Erbgut erstaunliche Ähnlichkeiten auf: "Bis zu 80 Prozent der Gene von Fadenwurm und Mensch sind gleich", sagt Bioinformatiker Prof. Dr. Christoph Kaleta von der Uni Kiel. "Rund die Hälfte aller bekannten Gene, die an der Entstehung menschlicher Krankheiten beteiligt sind, liegen auch in C. elegans vor." Daher dient der Wurm als einfaches Modellsystem, um die Lebensprozesse sowie die Entstehung von Krankheiten - auch des Menschen - zu untersuchen und besser zu verstehen.

Vorhersagen über Wachstum, Lebenserwartung oder Krankheiten

Dies ist für die Wissenschaftler weltweit nun auf einer neuen Basis möglich: Kaleta und sein Team haben gemeinsam mit Kollegen der Universität Jena und der ETH Zürich den kompletten Metabolismus des Wurms in einem mathematischen Modell zusammengefasst. Damit lassen sich sämtliche seiner Stoffwechselwege "in silico" - also am Computer - nachvollziehen und untersuchen. "Insbesondere können wir auch Vorhersagen treffen, wie sich bestimmte Änderungen - etwa in der Nahrungsaufnahme - auf das Wachstum, die Lebenserwartung oder die Entstehung von Krankheiten in diesem Organismus auswirken", erläutert Kaleta, der bis 2014 als Juniorprofessor an der Uni Jena forschte und lehrte. In der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins "Cell Systems" stellt er das Modell mit dem Namen "ElegCyc" vor (DOI: 10.1016/j.cels.2016.04.017).

In mühevoller Kleinarbeit haben die Forscher Datenbanken und Fachliteratur durchforstet und sämtliche bislang beschriebene Stoffwechselwege von C. elegans zusammengetragen. Insgesamt sind auf diese Weise knapp 2.000 Stoffwechselprozesse erfasst und miteinander verknüpft worden. Herausgekommen ist ein komplexes Netzwerk, das die Lebensprozesse des Wurms detailliert aufzeigt und das die Wissenschaftler nun nach einzelnen Genen, Stoffwechselprodukten oder Reaktionen durchsuchen können. Der große Vorteil solch umfassender Computermodelle ist, dass sich damit auch sehr große Datenmengen analysieren lassen, sagt Juliane Gebauer vom Lehrstuhl für Bioinformatik der Uni Jena. "Moderne Hochdurchsatzverfahren, wie die RNA-Sequenzierung oder die Bestimmung der Konzentration von Stoffwechselprodukten liefern eine solche Fülle an Messdaten, die ohne entsprechende Modelle kaum sinnvoll zu nutzen wären", so die Doktorandin, die Erstautorin der Veröffentlichung ist.

Experimentelle Daten aus JenAge analysiert

Dass ihr Modell diese Ansprüche erfüllt, konnten die Bioinformatiker in der nun vorgelegten Studie zeigen: Sie fütterten das Modell mit experimentellen Daten zum Alterungsprozess aus dem Jenaer Forschungskonsortiums JenAge. Unter den über 20.000 Genen von C. elegans konnten sie so genau diejenigen identifizieren, deren Aktivität die Lebenserwartung der Würmer maßgeblich beeinflusst.

Das Metabolismus-Modell von C. elegans ist im Internet frei zugänglich unter: http://elegcyc.bioinf.uni-jena.de:1100

 

Publikation:

Gebauer et al., A Genome-Scale Database and Reconstruction of Caenorhabditis elegans Metabolism, Cell Systems (2016), http://dx.doi.org/10.1016/j.cels.2016.04.017