Aus dem Gleichgewicht: Auch Inaktivierung des Onkogens Ras ist schädlich

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Ras-Proteine sind wichtige intrazelluläre Signalverarbeiter, die Zellwachstum, Differenzierung und weitere zelluläre Prozesse regulieren. In zu großer Menge oder Aktivität können sie schädlich für die Zelle werden und Krebs auslösen oder schwere Entwicklungsstörungen bei Neugeborenen verursachen. Die Verhinderung übermäßiger Ras-Aktivität ist daher sehr wichtig. Jenaer Forscher des Leibniz-Instituts für Altersforschung fanden nun jedoch eine neue Mutation in einer Komponente des Ras-Signalwegs, dem Ezrin, die zeigt, dass auch verminderte Ras-Aktivität verheerende Folgen haben kann. Ist Ezrin mutiert, kann Ras nicht mehr aktiviert werden, was die normale frühkindliche Gehirnentwicklung stört.

Die GTPase Ras ist zentraler Bestandteil eines Signaltransduktionsweges, der Wachstums- und Differenzierungsprozesse von Zellen reguliert. In seiner aktiven Form kann Ras mit einer Vielzahl unterschiedlicher Effektoren interagieren und so eine Reihe nachgelagerter Signalwege auslösen. Aufgrund dieser Schlüsselposition müssen Prozesse, die die Aktivität von Ras beeinflussen, streng reguliert werden.

Die Wichtigkeit einer solchen strengen Regulierung wird deutlich angesichts der Tatsache, dass in 20 bis 30 Prozent aller Tumore beim Menschen Mutationen in Ras vorliegen. Diese Mutationen machen Ras unabhängig von externen Signalen und führen dadurch zu einer Akkumulation von aktivem Ras. Die Folge ist ungebremstes Tumorwachstum. Auch während der Entwicklung können aktivierende Mutationen im Ras-MAPK Signalweg eine verheerende Wirkung haben und ein breites Spektrum autosomal dominanter Entwicklungsstörungen bewirken, die als RASopathien bezeichnet werden.

Ras-Aktivierung ist ein Balanceakt

Zusammen mit Kollegen der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg fanden Forscher des Jenaer Leibniz-Instituts für Altersforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI) nun jedoch heraus, dass nicht nur die unkontrollierte Aktivierung, sondern auch die übermäßige Hemmung der Ras-Aktivierung gravierende Schäden bei zellulären Wachstums- und Differenzierungsprozessen verursacht. „Es ist ein Balanceakt, den die Zelle da vollführen muss“, erläutert Dr. Helen Morrison, Arbeitsgruppenleiterin am FLI. „Ras ist so wichtig für zelluläre Funktionen, dass weder zu viel noch zu wenig Ras-Aktivität zu tolerieren ist.“ Die Arbeitsgruppe von Dr. Morrison erforscht daher Mechanismen, die eine angemessene Aktivierung und Inaktivierung von Ras sicherstellen können. 

Molekularer Schalter Ras 

„Ras ist ein molekularer Schalter, der durch die Bindung von GDP bzw. GTP zwischen einem inaktiven und einem aktiven Zustand wechseln kann“, erklärt Dr. Morrison. Die Beladung mit GTP und damit die Aktivierung von Ras werden durch das Enzym SOS vermittelt. Zusätzlich wird jedoch auch das Protein Ezrin benötigt, welches SOS und Ras zusammenbringt. „Unsere bisherigen Studien zeigen, dass Ezrin als essentieller Mittelsmann die Ras-Aktivierung kontrolliert“, fasst Dr. Morrison zusammen. 

Für die vorliegende Studie in dem Fachjournal Human Mutation wurden über 370 gesunde Erwachsene aus Syrien genetisch untersucht und mit einer Kohorte aus mehr als 140 blutsverwandten syrischen Familien mit geistig behinderten Kindern verglichen, um Mutationen, die zu geistiger Behinderung führen, aufzuspüren. Dazu verwendeten die Forscher das Verfahren der Exom-Sequenzierung, mit dem sich Protein-codierende Bereiche des menschlichen Genoms selektiv anreichern und deren genaue Sequenz bestimmen lassen. Unter den Probanden war auch eine Familie mit 3 Kindern, einem gesunden Mädchen und 2 Jungen mit starker Verminderung der geistigen Entwicklung. „Bei der Untersuchung der Gene der Familienmitglieder gelang uns vermutlich der bisher erste Nachweis einer potentiell krankheitsauslösenden Variante im codierenden Gen EZR“, berichtet Dr. Rami Abou Jamra, Humangenetiker und Arbeitsgruppenleiter an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. 

Modifiziertes Ezrin-Protein 

Im Rahmen seiner Doktorarbeit in der AG Morrison hat Lars Björn Riecken diese Mutation weiter untersucht: „Das veränderte Ezrin-Protein verliert seine Fähigkeit, Ras zu binden und ist dadurch nicht mehr in der Lage, Ras zu aktivieren“, fasst Lars B. Riecken den Kern seiner Analysen zusammen. „Strukturanalysen und molekulare Modellierungen wiesen darauf hin, dass eine veränderte Protein-Interaktions-Oberfläche vorliegen könnte, die eine Ras-Bindung unmöglich macht.“ Nachfolgende Untersuchungen bestätigten diese Annahmen. Funktionelle Analysen des veränderten Proteins in verschiedenen Zelllinien zeigten darüber hinaus abnormale zelluläre Prozesse, einschließlich einer reduzierten Zellteilung und einer verringerten Bildung von Neuriten, feinen Zellfortsätzen, die die Kommunikation zwischen Nervenzellen ermöglichen. „Diese Ergebnisse sind eine mögliche Erklärung für den gefundenen Phänotyp der geistigen Behinderung beim Menschen und erweitern das uns bereits bekannte Pathogenitäts-Spektrum von Ras-MAPK-Signalweg-Störungen“, unterstreicht Lars B. Riecken seine Forschungsergebnisse. 

„Bisher bekannte Mutationen, die die Aktivität von Ras beeinflussen, waren stets Mutationen, die zu einer Aktivierung des Signalweges führten“, betont Dr. Helen Morrison. „Wir konnten dagegen jetzt eine Art von Mutation im Signalweg nachweisen, die diesen Signalweg hemmt; mit fatalen Folgen für die Gehirnentwicklung“. In direkter Zusammenarbeit mit Genetikern der Klinik & Diagnostik setzen die Forscher ihre Arbeit nun fort, um nach weiteren Ezrin-Mutationen zu suchen und den identifizierten Mechanismus weiter zu charakterisieren. 

Publikation

Lars Björn Riecken, Hasan Tawamie, Carsten Dornblut, Rebecca Buchert, Amina Ismayel, Alexander Schulz, Johannes Schumacher, Heinrich Sticht, Katja J. Pohl, Yan Cui, André Reis, Helen Morrison & Rami Abou Jamra. Inhibition of RAS activation due to a homozygous ezrin variant in patients with profound intellectual disability. Hum Mutat. 2014, doi: 10.1002/humu.22737.  

Videobeitrag

https://www.youtube.com/watch?v=MaZUSYXXV-I

Kontakt

Dr. Kerstin Wagner
Leibniz-Institut für Altersforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI)
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