Dem Geheimnis der über 100-Jährigen auf der Spur (FLI/Mosaiques Diagnostics)

Research

Forscher erkennen den Unterschied zwischen normalem und krankheitsbedingtem Altern auf molekularer Ebene – Proteomanalyse in Symbiose mit einer Therapie ermöglicht Einflussnahme auf krankheitsbedingtes Altern.

Forschern ist es zum ersten Mal am Menschen gelungen, die Unterschiede zwischen normalem und krankheitsbedingtem Altern auf molekularer Ebene aufzuzeigen. Ein interdisziplinäres Team unter anderem aus dem Leibniz-Institut für Alternsforschung - Fritz-Lipmann-Institut (FLI) und dem Biotech-Unternehmen Mosaiques diagnostics untersuchte Daten der neuartigen Proteomanalyse aus Urin von 11.560 Patienten. Dabei handelt es sich um die bisher größte Alternsstudie, die unter Anwendung der Proteomanalyse erstellt wurde. Die Ergebnisse wurden vorab online vom multidisziplinären Fachjournal Oncotarget veröffentlicht und bergen die Wissensbasis für die Entwicklung von Therapien, die zu einem gesunden Alternsprozess und der Vermeidung altersbedingter Krankheiten beitragen. „Wenn wir ein klares Verständnis der molekularen Mechanismen des menschlichen Alterns entwickeln, eröffnen sich neue Wege des effektiven Managements altersbedingter Erkrankungen und damit eine Verbesserung der Gesundheit im Alter“ sagt Professor Dr. K. Lenhard Rudolph, Wissenschaftlicher Direktor des FLI.

Menschen wie die Französin Jeanne Louise Calment, die 122 Jahre alt wurde und bislang den Rekord des höchsten erreichten Lebensalters eines Menschen hält, altern auf zwei Arten: Das „physiologische“ oder „primäre“ Altern wird durch zelluläre Alternsprozesse hervorgerufen, die in Abwesenheit von Krankheiten ablaufen. Es handelt sich um einen zellulären Prozess, der eine Lebensspanne von maximal rund 120 Jahren ermöglicht. Dieser Vorgang ist bisher nicht zu beeinflussen. Das „sekundäre“ Altern hingegen schon. Dabei handelt es sich um die Vorgänge im Körper, die das Leben durch Krankheiten oder eine ungesunde Lebensführung verkürzen.

Forscher entschlüsselten kürzlich den Unterschied zwischen den beiden Alternsmechanismen auf molekularer Ebene. Dazu untersuchten sie Daten von 1.227 gesunden und 10.333 kranken Personen. Letztere litten an Diabetes mellitus, Nieren- und Herzerkrankungen. Diese Daten stammten aus dem Urin aller Probanden, die mittels der neuartigen Proteomanalyse als Untersuchungsmethode gewonnen wurden. Diese erkennt Veränderungen im Körper, also auch Alternsprozesse, durch die Analyse spezifischer Muster von Eiweißen beziehungsweise ihrer Fragmente (Peptide). Im Fall der Alternsstudie identifizierten die Forscher 112 Peptide, die sowohl beim primären als auch beim sekundären Altern eine Rolle spielen. Mithilfe einer systembiologischen Verlaufsanalyse wurden wiederum 27 Peptide analysiert, die dem primären Alternsprozess zugeordnet werden konnten. 85 Peptide standen im Zusammenhang mit dem sekundären Alternsprozess. Die beiden Peptidgruppen unterscheiden sich in zwei wesentlichen Merkmalen: Jene, die mit dem normalen oder primären Altern in Verbindung stehen, spielen eine wichtige Rolle beim Kollagenabbau sowie bei der Aktivierung des Immunsystems. Die andere Gruppe wird mit der Reaktion unseres Körpers auf Nährstoffe assoziiert.

Die Peptide werden darüber hinaus in proteomdiagnostischen Tests von Mosaiques diagnostics beziehungsweise der Tochterfirma DiaPat eingesetzt, um bei Menschen das Risiko für einen Herzinfarkt sowie Krankheiten wie Herzmuskelschwäche und Nierenfunktionsstörung bei Diabetes (Diabetische Nephropathie) zu erkennen. Es handelt sich um jene Krankheiten, die besonders häufig das sekundäre, also das krankheitsbedingte Altern bedingen und somit lebensverkürzend sind. Sie entstehen meist viele Jahre vor dem biologischen Altern. „Krankheiten entstehen auf molekularer Ebene und können zu diesem sehr frühen Zeitpunkt präzise mit der Proteomanalyse entdeckt werden. Medikamente wiederum wirken auf Proteine. Nur mit der Symbiose von Proteinanalyse und früh einsetzender medikamentöser Therapie und Lebensstiländerung können diese Krankheiten erfolgreich behandelt werden. Die bisher gängigen Methoden zur Erkennung dieser Erkrankungen sind „zu spät dran“. Sie diagnostizieren eine Krankheit erst, wenn zum Beispiel schon eine massive Einschränkung der Nierenfunktion erfolgt und somit ein unumkehrbarer Schaden am Organ eingetreten ist“, erklärt Professor Dr. Dr. Harald Mischak, weltweit führender Proteomforscher.

Die Proteomanalyse aus Urin ermöglicht also nicht nur die Unterscheidung zwischen primärem und sekundärem Altern, sondern in Verbindung mit einer früh einsetzenden Therapie auch eine Einflussnahme auf jene Faktoren, die das normale Altern zusätzlich beschleunigen. Darin liegt ein Ansatzpunkt für die pharmazeutische Industrie, Medikamente zu entwickeln, die auf diese Faktoren einwirken. 

„Die Alternsstudie zur Unterscheidung zwischen primärem und sekundärem Altern zeigte auf, dass es nicht nur um die Behandlung von Krankheitsphänomenen geht, sondern parallel dazu um das Leben des Patienten als solchem, der unwiederbringlich viele Lebensjahre verliert, wenn er nicht mithilfe der Proteomanalyse sehr früh seinem sekundären Alternsprozess auf die Spur kommt. Reparaturmedizin, wie Nierentransplantation oder Dialyse, können die Krankheiten immer nur sehr kurz aufhalten. Krankheitserkennung auf molekularer Ebene ist hingegen wirkungsvoller im Hinblick auf die Verlangsamung des sekundären Alterns“, fasst Professor Mischak zusammen.

Publikation

Nkuipou-Kenfack E, Bhat A, Klein J, Jankowski V, Mullen W, Vlahou A, Dakna M, Koeck T, Schanstra JP, Zürbig P, Rudolph KL, Schumacher B, Pich A, Mischak H. Identification of ageing-associated naturally occurring peptides in human urine. Oncotarget. 2015 Sep 29. Epub ahead of print. DOI: 10.18632/oncotarget.5896.

Die Arbeit wurde finanziell unterstützt vom EU-Projekt CodeAge, itn-codeage.uni-koeln.de

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