Adulte (erwachsene) Stammzellen sind für den lebenslangen Erhalt und die Regeneration verschiedener Organe und Gewebe essentiell. Experimentelle und klinische Daten haben gezeigt, dass die Funktionsfähigkeit adulter Stammzellen mit dem Altern abnimmt und damit die Fähigkeit zur Organerneuerung schwindet. Darüber hinaus birgt die lange Lebensdauer der Stammzellen das Risiko, dass sich mit der Zeit in den Zellen molekulare Schäden ansammeln (Mutationen) und daraus Stammzellenfehlfunktionen resultieren, die schließlich zur Entstehung von Krebs führen können. Welche genetischen Faktoren die Stammzellenalterung beeinflussen, ist bisher nahezu unbekannt.
Im Gegensatz dazu steht eine ständig wachsende Zahl von Genmutationen und Sequenzvariationen, die als genetische Risikofaktoren die Alterung oder die Entstehung von alterns-assoziierten Erkrankungen beeinflussen; positiv oder negativ. Für die meisten dieser genetischen Faktoren ist die Ursache der beschleunigten oder auch verlangsamten Alterung bislang aber nicht bekannt. „Wir gehen davon aus, dass ein Teil der genetischen Faktoren, die zu einer Beschleunigung oder Verlangsamung der Alterung führen, einen Einfluss auf die Funktion von Stammzellen haben“, berichtet Prof. Rudolph, Wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-Instituts für Altersforschung - Fritz-Lipmann-Institut (FLI). „Solche genetischen Varianten können wahrscheinlich zu einer frühzeitigen Fehlfunktion oder gar zur Transformation von Stammzellen in Krebszellen führen. Mit anderen Worten können die uns vererbten Gene die Geschwindigkeit unseres Alterns bestimmen, indem sie die Funktion unserer Stammzellen verändern.“
Der Jenaer Stammzellenforscher Prof. Dr. med. Karl Lenhard Rudolph erhält nun für sein neues Forschungsprojekt zur Untersuchung adulter Stammzellen vom Europäischen Forschungsrat (ERC) eine hochdotierte Förderung, den ERC Advanced Grant für Spitzenforscher in Europa. ERC Advanced Grants werden an herausragende Wissenschaftler vergeben, die mindestens seit zehn Jahren erfolgreich auf international höchstem Niveau gearbeitet haben, bereits bedeutende Forschungsergebnisse vorweisen können und deren Projektidee aufgrund des innovativen Ansatzes neue Wege in dem jeweiligen Forschungsfeld eröffnet. Für die Förderung des ERC ist ausschließlich die wissenschaftliche Exzellenz des Forschenden und des Forschungsprojektes ausschlaggebend, so dass der ERC Grant auch als eine individuelle Auszeichnung zu sehen ist.
Hauptziel des neuen Forschungsprojektes ist es, genetische Ursachen der Stammzellenalterung zu identifizieren. Rudolph hofft, mit diesem neuen Forschungsprogramm grundlegend zur Entdeckung neuer molekularer Mechanismen der Alterung beitragen zu können. „Hierdurch könnte letztendlich eine Basis geschaffen werden, um molekulare Therapien zu entwickeln, die auf eine Verlängerung der Gesundheitsspanne im Alter zielen“, so der Stammzellenforscher.
„Dieser Grant würdigt darüber hinaus die herausragende wissenschaftliche Arbeit, die mein Team in den letzten Jahren auf diesem Gebiet erbracht hat; unterstreicht aber auch die Bedeutung unserer Forschung“, freut sich Prof. Rudolph über den ERC Grant. Der Mediziner konnte bereits grundlegende Mechanismen, die zum Funktionsverlust von Stammzellen im Rahmen der Alterung führen, aufklären und unter anderem nachweisen, dass die Verkürzung der Telomere - den Schutzkappen der Chromsomen-Enden - zum Funktionsverlust von Stammzellen im Alter beitragen kann.
Das ERC-Projekt “Longevity and aging associated genes that control self-renewal and function of adult stem cells during aging” (StemCellGerontoGenes) wird 2013 starten, beinhaltet 3 PostDoc und 1 Techniker-Stelle und wird mit 2,5 Millionen Euro für die Dauer von 5 Jahren gefördert. Ziel ist es, Gene und molekulare Mechanismen zu identifizieren, die im Rahmen der Alterung die Stammzellenfunktion beeinflussen und zur Verminderung der Organhomöostase und Regenerationsfähigkeit führen; die Hauptursachen der Dysfunktion verschiedener Organsysteme im Alter.
Prof. Dr. med. Lenhard Rudolph studierte Medizin an der Georg-August-Universität in Göttingen und hat an der Medizinischen Hochschule in Hannover eine Emmy-Noether-Arbeitsgruppe und eine Heisenberg-Professur geleitet, die sich mit den molekularen Mechanismen befasste, die der Alterung, der Entstehung von Erkrankungen und der Entstehung von Krebs zu Grunde liegen. 2007 wurde er als Leiter des Instituts für Molekulare Medizin und der Max-Planck-Forschergruppe für Stammzellalterung an die Universität Ulm berufen. Seit Februar 2012 ist er Wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-Instituts für Altersforschung - Fritz-Lipmann-Institut e.V. (FLI) in Jena und seit Oktober 2012 Professor an der Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU).
Für seine Forschungsarbeiten erhielt Rudolph bereits zahlreiche Auszeichnungen, wie z.B. den Monika-Kutzner Preis für Krebsforschung, den Gottfried-Wilhelm Leibniz Preis der DFG, den René-Schubert Preis für Alternsforschung und den Wilhelm-Vaillant Wissenschaftspreis für molekulare Medizin. Seit 2009 ist er Präsident der Deutschen Gesellschaft für Alternsforschung (DGfA).
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Dr. Kerstin Wagner
Leibniz-Institut für Altersforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI)
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